energate News: Bundeskabinett bringt H2-Importstrategie auf den Weg
Berlin (energate) - Das Bundeskabinett hat die Importstrategie für Wasserstoff und Wasserstoffderivate beschlossen. Kritikern fehlt jedoch ein einheitliches, internationales Zertifizierungssystem für Wasserstoff. Es brauche pragmatische und international anschlussfähige Zertifizierungssysteme, sagte beispielsweise Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI. Auch Kerstin Andreae, Chefin des Energieverbandes BDEW fordert Zertifizierungssysteme. Aktuell aber fehle der Strategie auch die Priorisierung der Maßnahmen und Ziele.
"Zudem erscheint die Importstrategie überfrachtet", teilte Andreae weiter mit. Aus Sicht des BDEW sollte sie sich auf ihr Kernziel fokussieren: in kurzer Zeit große Mengen Wasserstoff und Derivate zu möglichst wettbewerbsfähigen Preisen importieren zu können. "Ohne konkrete Nachhaltigkeitskriterien wird die Wasserstoff-Importstrategie zur Gefahr für den Klimaschutz und die Menschen in den Exportländern", warnte Christiane Averbeck, Geschäftsführende Vorständin der Klima-Allianz Deutschland und Mitglied des Nationalen Wasserstoffrates.
Europäische Zertifizierungsvorgaben als Vorlage
In der Importstrategie wird auf die europäischen Zertifizierungsvorgaben verwiesen, die für eine internationale Anwendung ausgelegt seien. Die RED III sowie die Richtlinie für den Gas- und Wasserstoffbinnenmarkt würden Vorgaben für Zertifizierer bezüglich der einzuhaltenden Bilanzierungsmethoden und Zertifizierungs-Governance enthalten. "Um Marktfragmentierung und den Aufbau von Handelshemmnissen zu vermeiden, strebt die Bundesregierung im nächsten Schritt eine Interoperabilität von diversen nationalen und regionalen Zertifizierungssystemen an", heißt im finalen Entwurf, der energate vorliegt.
Dieser enthält im Vergleich zum vorhergehenden Entwurf zudem den Hinweis, dass die Bundesregierung einen "Indikatorenkatalog" entwickeln werde, um Nachhaltigkeitskriterien in Lieferketten ebenso wie in nationalen Förderprogrammen zu überprüfen und bei Bedarf anzupassen. Gewonnene Erkenntnisse würden auf internationaler Ebene eingebracht, z. B. in der EU, den G7 und G20 sowie im Klimaklub. Dies habe zum Ziel, frühzeitig international ambitionierte, praktikable und möglichst einheitliche Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssysteme zu etablieren, heißt es.
Bundesregierung will Lieferquellen diversifizieren
Die Bundesregierung geht von einem nationalen Bedarf an Wasserstoff und dessen Derivaten in Höhe von 95 bis 130 TWh in 2030 aus. Dabei müssen voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland importiert werden. Es sei davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steige, teilte das Wirtschaftsministerium mit. Nach ersten Einschätzungen könne sich der Bedarf bis zum Jahr 2045 auf 360 bis 500 TWh an Wasserstoff sowie etwa 200 TWh an Wasserstoffderivaten erhöhen.
Die Importstrategie soll die Deckung des deutschen Importbedarfs sicherstellen. Die Bundesregierung verfolge dazu den parallelen Aufbau von Importinfrastrukturen für Pipeline- und Schiffstransporte. Für Transporte per Schiff, Schiene oder Straße kämen vor allem Wasserstoffderivate, Trägermedien und Folgeprodukte in Frage. Die Bundesregierung betont zudem, Lieferquellen möglichst breit diversifizieren zu wollen. Dazu kooperiere das Wirtschaftsministerium bereits in mehr als 30 Klima- und Energiepartnerschaften oder Energiedialogen und habe zahlreiche H2-Abkommen geschlossen.
"Halbherzig und unentschlossen"
"Das ist zu spät, zu wenig, zu halbherzig", kommentierte Andreas Jung, Sprecher der CDU/CSU-Fraktion für Klimaschutz und Energie. Es brauche einen echten "Wumms" und vollen Pragmatismus: "An Mengen reinholen, was geht, überall im Land verteilen und dafür einen verlässlichen Rahmen setzen“ forderte er. "Der Importstrategie fehlt es an Entschlossenheit", meint auch Timm Kehler, Vorstand des Interessenverbands Zukunft Gas, in einemGastkommentar für energate. Klare Prioritäten und konkrete Maßnahmen würden fehlen. Auch Kehler betont die Bedeutung eines einheitlichen, internationalen Zertifizierungssystems, damit ein globaler Markt entstehen könne.
Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Wasserstoff-Verband (DWV), verweist darauf, dass der pipelinegebundene Transport aus Europa die effizienteste Lösung sei, um das Importziel der Bundesregierung nachhaltig zu erreichen. Und während es Ingbert Liebing vom Stadtwerkeverband VKU "mit Blick auf die bevorstehenden Aufgaben bei der Energiewende" für angemessen hält, dass in einer Übergangszeit auch blauer Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt wird, importiert werden darf, warnen Umweltverbände davor. Die Transformation der Industrie durch Wasserstoff sei nur nachhaltig, wenn der Wasserstoff ausschließlich aus erneuerbaren Energien hergestellt werde, sagte beispielsweise Tobias Pforte von Randow vom Deutschen Naturschutzrings (DNR). Es müsse sichergestellt werden, dass grüner Wasserstoff beim Import immer Vorrang vor anderen Arten von Wasserstoff habe, forderte er.