energate News: Politik braucht anpassungsfähige Wasserstoffstrategie

Berlin (energate) - Forscher des Kopernikus-Projekts Ariadne empfehlen der Politik eine adaptive Wasserstoffstrategie. So lasse sich am ehesten auf große Unsicherheiten beim Hochlauf von Wasserstoff und E-Fuels reagieren, ohne in kostspielige Lock-in-Effekte zu laufen. Ein Kurzdossier, das sechs Institute des Ariadne-Konsortiums erstellt haben, zeige, dass die Rolle von Wasserstoff und E-Fuels in den nächsten Jahren durch eine geringe Verfügbarkeit begrenzt werde, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung des Kopernikus-Projekts und des Bundesforschungsministeriums. Für die Zeit bis 2030 werde Wasserstoff daher nur eine kleine Rolle spielen. Danach sei die Bandbreite der möglichen Szenarien groß. Das sollte aber nicht einfach als technologischer oder politischer Spielraum interpretiert werden, sondern vor allem als Raum der Unwägbarkeiten.


Für ihr Dossier haben sich die Ariadne-Forscher die fünf großen Szenariostudien zur Klimaneutralität 2045 angesehen und miteinander verglichen. "Im Ergebnis legen wir Eckpunkte vor, die Orientierung geben sollen für eine adaptive Wasserstoffstrategie und notwendige Lernprozesse", erläuterte Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Autoren des Papiers. Wenn die EU ihr Ziel von 40 GW Elektrolyse-Kapazität im Jahr 2030 erreichen will, seien jährliche Wachstumsraten von 70 Prozent erforderlich. Für 80 Prozent der für 2023 angekündigten Projekte lägen heute aber noch keine endgültigen Investitionsentscheidungen vor, illustrierte Ueckerdt die Unsicherheiten beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

No-Regret-Maßnahmen zuerst


Für ein schnelles Wachstum beim grünen Wasserstoff fordern die Autoren eine technologiespezifische Förderung und gezielte regulatorische Maßnahmen, da die CO2-Preise vor 2030 nicht die für eine marktbasierte Steuerung benötigte Höhe erreichen werden. Solange noch Unklarheit herrsche, welche Mengen und Preise realisiert werden können, sollte Wasserstoff vor allem da eingesetzt werden, wo es keine Alternativen zur direkten Elektrifizierung gibt, heißt es im Ariadne-Dossier. Zu diesen No-Regret-Maßnahmen zählen die Autoren etwa die industrielle Ammoniak- oder Stahlproduktion und bei den E-Fuels den Fernflug- und Schiffsverkehr. Von hier aus könne dann schrittweise über eine Verbreiterung des Wasserstoffeinsatzes entschieden werden.

Während das Angebot von grünem Wasserstoff - vor allem auch über Importe - mit Nachdruck entwickelt werden muss, empfehlen die Autoren parallel dazu, die direkte Elektrifizierung und den heimischen Erneuerbaren-Ausbau deutlich zu beschleunigen. "Für den Kurs auf Klimaneutralität 2045 geht es längst nicht mehr um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch", so Ueckerdt.

Grenzen der Elektrifizierung ausloten


In einer "Dekade der Elektrifizierung" müssten die Kapazitäten der erneuerbaren Energien verdreifacht werden, batterieelektrische Fahrzeuge die Neuzulassungen dominieren und etwa fünf Mio. Wärmepumpen installiert werden. Im Laufe der Jahre werde sich dann zeigen, welche Wasserstoffmengen verfügbar sind und wo die Elektrifizierung an ihre Grenzen stößt. "Mit diesen Erkenntnissen können Marktakteure und Politik besser über die Einsatzgebiete von Wasserstoff entscheiden", ist Benjamin Pfluger von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) überzeugt. Mögliche Bereiche wären etwa im schweren LKW-Güterverkehr oder bei der Prozesswärme denkbar. "Wird hingegen bereits jetzt auf eine breite Verfügbarkeit von günstigem Wasserstoff und E-Fuels gesetzt und diese Erwartungen erfüllen sich nicht, drohen ein fossiler Lock-in, hohe Kosten und eine Verfehlung der Klimaziele", so Pfluger.

Denkbar ist für die Ariadne-Forscher auch der Einsatz von blauem oder türkisem Wasserstoff aus fossilen Quellen als zeitlich begrenzte Brückentechnologie. Dies könnte eine frühere Transformation ermöglichen, müsse aber mit Maßnahmen zur Zertifizierung, Regulierung und entsprechender Bepreisung von Emissionen begleitet werden. Vor allem der Methanschlupf bei der Förderung und Bereitstellung von Erdgas im Ausland müsse dabei in den Blick genommen werden. Nur so könne sichergestellt werden, dass Treibhausgasemissionen tatsächlich reduziert werden. Das Kurzdossier ist auf der Ariadne-Seiteveröffentlicht.

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