energate News: Wasserstoffhandel eines Tages genauso liquide wie der Erdgashandel

Berlin (energate) - Ein lebhafter Wasserstoffmarkt scheint aktuell noch in weiter Ferne - zu rar die Mengen, die Marktteilnehmer ein- und verkaufen könnten. Doch die ersten Wasserstoffderivate könnten schon vor 2030 gehandelt werden, sagt Tobias Paulun, CEO der EEX-Clearingtochter ECC und zuständiger Vorstand für die Strategie der EEX Group, im Interview mit energate.


energate: Herr Paulun, wie könnte ein börslich organisierter Wasserstoffhandel in der Zukunft aussehen?

Paulun: Wir sind fest davon überzeugt, dass der Wasserstoffhandel eines Tages genauso liquide sein kann, wie es heute der Erdgas- oder der Stromhandel ist. Wir befinden uns aber gerade noch in der Aufbauphase dieses Marktes. Neben den Handelsinstrumenten fehlen aktuell die physische Infrastruktur und die Wasserstoffmengen. Deshalb begrüßen wir die Hochlaufinitiativen, die es gibt, insbesondere H2-Global, die sich um die Beschaffung von Mengen kümmern und mit staatlicher Unterstützung Marktstrukturen etablieren. Sie können den initialen Gap zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen überbrücken. Das sind die ersten Schritte. Aber das Ziel ist ganz klar, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft einen liquiden Markt haben, wie wir es bei anderen Commodities bereits kennen.

energate: Im Strom- und Gashandel gibt es eine Vielzahl an Produkten, sowohl am Kurzfrist- als auch am Terminmarkt. Wie wären die Produkte für Wasserstoff strukturiert?

Paulun: Zunächst werden wir vor allem Auktionen sehen. Wir haben zum Beispiel mit H2-Global eine Kooperation vereinbart. H2-Global wird importierten grünen Wasserstoff über unsere neue Handelsplattform verauktionieren. Wir reden hier noch nicht über einen untertägigen Handel, wie wir ihn aus dem Strom- oder Gashandel kennen, sondern über Lieferverträge, die sich am kurzen Ende auf das Monatsende oder ein Quartal beziehen. Längerfristig in der Zukunft kann dann natürlich immer gehandelt werden. Das wird es Marktteilnehmern ermöglichen, Preisrisiken abzusichern.

energate: Wann wird Wasserstoff zur Commodity?

Paulun: Von politischer Seite besteht die Ambition, bis 2030 erste liquide Märkte zu schaffen. Für einige Wasserstoffderivate kann das auch schneller entstehen.

energate: Wasserstoff kann in den unterschiedlichsten Farben gehandelt werden, aus erneuerbaren Energien oder auf Basis von Erdgas hergestellt werden. Wie sollte Wasserstoff aus Sicht der EEX für den börslichen Handel definiert werden?

Paulun: Das Ziel ist ganz klar eine grüne Wasserstoffwirtschaft. Wir sollten aber im ersten Schritt nicht zu ambitioniert sein. Denn zunächst ist es wichtig, dass wir überhaupt die Mengen bekommen. Im internationalen Umfeld ist es herausfordernd, sich auf Kriterien für die grüne Eigenschaft von Wasserstoff zu einigen. Da müssen wir vorsichtig sein, dass die Regeln nicht zu komplex sind und damit eine Markteintrittshürde darstellen. Wir stehen im internationalen Wettbewerb um den Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft, beispielsweise mit den USA oder Asien. Daher plädieren wir dafür, mit Augenmaß vorzugehen und zunächst den Fokus darauf zu legen, das Henne-Ei-Problem aus der Infrastrukturabdeckung zu lösen und dann die grüne Eigenschaft zu definieren.

energate: Welches Kriterium könnte aus Ihrer Sicht zu eng gefasst sein?

Paulun: In die grüne Eigenschaft spielen verschiedene Kriterien mit hinein. Es geht um die Gleichzeitigkeit, um die lokale Verbindung zwischen Stromerzeugung und Elektrolyseur und die Zusätzlichkeit des verwendeten Stroms. Es gibt Akteure im Markt, die durchaus Überschuss-Strommengen haben, die sie für die Produktion von Wasserstoff nutzen könnten, die aber nach dem aktuellen Stand nicht die Kriterien erfüllen.

energate: Über H2-Global hilft der Staat, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu schließen. Wie viel Staat braucht es darüber hinaus für den Hochlauf eines Wasserstoffmarkts und was wäre aus Sicht der EEX auch zu viel?

Paulun: Wichtig sind die nationale Wasserstoffstrategie und ein europäisches Zielbild, in dem Wasserstoff eine tragende Säule einer
klimaneutralen Industrie wird. Hier sind wir in Deutschland schon weit vorn. Das gibt den beteiligten Akteuren langfristig Investitionssicherheit. Auf der Detailebene, wie beispielsweise der Definition von grünen Kriterien, müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu viel Regulierung vorgeben. Hier können Marktkräfte wirken, ein gewisses Maß an "Trial and Error" muss erlaubt sein. Es wäre zum Beispiel möglich, Wasserstoffqualitäten im Zertifikatehandel anzubieten und den Markt entscheiden zu lassen, welches davon sich als besonders zielführend erweist.

energate: Wenn an der Börse parallel mehrere Qualitäten von Wasserstoff gehandelt würden, hätten Sie Sorge, dass darunter die Marktliquidität leidet?

Paulun: Nein, eine gewisse Auswahlmöglichkeit für den Markt ist grundsätzlich hilfreich. Das ermöglicht mehr Teilnehmern die aktive Teilnahme und wird dazu führen, dass mehr in die Infrastruktur investiert wird.

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