energate News: Gelsenwasser testet 100 Prozent Wasserstoff

Linnich (energate) - Der Verteilnetzbetreiber Gelsenwasser betritt mit dem Betrieb eines Wasserstoffnetzes Neuland. An der Betriebsstelle Linnich (NRW) beheizt das Unternehmen zwei Gebäude mit 100 Prozent Wasserstoff. "Ohne Versuchsstand, ohne Redundanz und komplett im Bestand testen wir hier eine Versorgungssituation, die wir millionenfach in Deutschland vorfinden und die etwa 75 Prozent unseres Gasnetzes repräsentiert", sagte Christian Creutzburg, Geschäftsführer der Gelsenwasser Energienetze (GWN), bei einer Besichtigung mit NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne). Seit knapp vier Wochen heizen zwei Brennwertthermen (je 24 kWh) des Herstellers Remeha nicht mehr mit Erdgas, sondern mit Wasserstoff, den der Projektpartner Linde per LKW anliefert.

 

20 Prozent Beimischung ist Standard


Bisheriges Zwischenfazit: Das 25 Jahre alte Gasnetz, beziehungsweise die 130 Meter, die GWN dafür abgetrennt hat, sowie die beiden Brennwertthermen vertragen den neuen Brennstoff problemlos. "Alles läuft stabil mit nur minimalsten Änderungen", betonte GWN-Geschäftsführer Creutzburg. Wenn sich dies in den kommenden zwölf Monaten nicht ändert, könnten sechs weitere Gewerbekunden in direkter Nachbarschaft ebenfalls mit 100 Prozent Wasserstoff beheizt werden.

Bisher sind Heizungen für maximal 20 Prozent Wasserstoff ausgelegt. Der technische Verband DVGW habe eigens für den Feldtest eine begrenzte Stückzahl zertifiziert, sagte Franz Killinger, Vertriebsleiter des Herstellers Remeha am Rande der Veranstaltung zu energate. Für den Heizungsbauer ist es bundesweit das fünfte Gerät, das mit 100 Prozent Wasserstoff läuft und das sich noch im Status der Patentanmeldung befindet. Bei Westnetz ist ein ähnlicher Feldtest mit bisher vier Geräten angelaufen (energate berichtete). Vertriebsleiter Killinger rechnet damit, dass spätestens 2025 solche Geräte in großen Stückzahlen produziert werden könnten beziehungsweise für Bestandsgeräte "bezahlbare Umrüstkits" - ähnlich wie bei der L-Gas-Umstellung - verfügbar sein werden.
 

Hürden außerhalb der Technik

 
Neben den vergleichsweise kleinen technischen Herausforderungen gibt es weit größere im regulatorischen und wirtschaftlichen Bereich. Bisher stehen Politik und  Bundesnetzagentur dem Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt bekanntlich skeptisch gegenüber. Ihr Argument: Das teure und knappe Gut sollte besser in Industrie und im Schwerlastverkehr zum Einsatz kommen, wo es keine Alternativen gibt. NRW-Ministerin Neubaur bestätigte zwar bei ihrem Besuch in Linnich diese Priorisierung und den "besonderen Wert", den Wasserstoff in Zeiten der Energiekrise habe. Aber: "Es wird Orte und Siedlungsstrukturen geben, wo wir mit der Wärmepumpe nicht weiterkommen werden. Wir sollten also nicht die Tür zumachen."
 
Auch das zweite große Problem der Gasversorger adressierte Neubaur in ihrer Rede. Nach den bisherigen Unbundling-Vorgaben dürfen sie nicht gleichzeitig Wasserstoffnetzbetreiber sein. "Wie wollen wir den Wasserstoffhochlauf schaffen, wenn wir denen, die die Expertise haben, sagen, dass sie mit ihrem alten Geschäft aufhören müssen, mit dem sie ihr Geld verdienen?", ging die Grünen-Politikerin auf die Netzbetreiber zu. Neubaur versprach in diesem Punkt mehr Planungssicherheit - eine Botschaft, die bei Gelsenwasser und den anwesenden Vertretern der Energieverbände BDEW und VKU gut ankam.

Zurück
Zurück

energate News: VNG plant Wasserstoffkooperation mit Algerien

Weiter
Weiter

energate News: FDP will kein staatliches Wasserstoffnetz