energate News: EWE sieht Wasserstoff nicht als Lösung für alle

Essen (energate) - Die EWE AG will klimaneutral werden, setzt dabei aber auf eine wirtschaftlich tragfähige Umsetzung. "Wir haben die Grundüberzeugung, dass es unsere Aufgabe ist, den Menschen und Unternehmen in unserem Versorgungsgebiet zu helfen, die Energiewende so zu gestalten, dass wir auch in Zukunft noch gut und in Wohlstand miteinander leben können", sagte Christian Friege, Marktvorstand der EWE AG, im Interview mit energate.


Als Unternehmen stelle sich die Frage, was EWE neben der zuverlässigen Versorgung mit Strom, Gas und Wärme den Kunden an Energiedienstleistungen wie Solaranlagen, Wärmepumpen oder Batteriespeicher anbieten kann. "Auf der anderen Seite müssen wir uns als Gesellschaft fragen, wie können wir das System so optimieren, dass wir am Ende des Tages Kosten für die Energiewende haben, die akzeptabel sind."

Wasserstoff nur für spezifische Anwendungen

Im Nordwesten Deutschlands gebe es erhebliche Vorteile durch die Nähe zu Offshore- und Onshore-Windkraft sowie durch bestehende Infrastrukturen. EWE engagiert sich hier mit "Clean Hydrogen Coastline" stark im Bereich Wasserstoff. Durch die Nähe zum Wasserstoff-Kernnetz und große Speicher könne die Produktion besonders effizient gestaltet werden.

"Wir werden einen Elektrolyseur genau dort bauen, wo ganz viel Offshore-Windstrom anlandet und wo ganz viel Windstrom onshore produziert wird", so Friege. "Sollten wir diese Chance nicht ergreifen und diesen Standortvorteil nicht nutzbar machen, dann führt das perspektivisch zu erheblichen Fehlallokationen in unserer Wirtschaft."

Trotz des Engagements sieht Friege Wasserstoff nur als Lösung für bestimmte industrielle Anwendungen. "Unserer Überzeugung nach wird Wasserstoff in der Breite keine Rolle oder zumindest absehbar keine Rolle spielen." Während er für energieintensive Prozesse unverzichtbar sei, werde er für Privatkunden und viele Industrieunternehmen nicht wirtschaftlich darstellbar sein.

Skepsis auch bei Nahwärmenetzen

In der kommunalen Wärmeplanung sieht Friege Herausforderungen. "Was die Begeisterung für neue Nahwärmenetze angeht, bin ich sehr, sehr skeptisch." Da Gebäude immer besser gedämmt würden, sinke der Wärmebedarf, während die Kosten für den Netzausbau stiegen. "Wir können und sollten nicht auf einen Anschluss- und Benutzungszwang setzen." Wirtschaftlich sinnvoll seien Nahwärmenetze nur, wenn große Verbraucher wie Kliniken oder Universitäten eingebunden seien. "Im klassischen Wohnungsbau und vor allem in Wohngebieten mit Ein- und Zweifamilienhausbebauung bin ich skeptisch."

Die Wärmepumpe könne hier in vielen Fällen die intelligentere Lösung sein. Friege kritisiert hier jedoch die politische Unsicherheit rund um das Gebäudeenergiegesetz (GEG). "Was wir bei der Kommunikation des GEG erlebt haben, war - sehr milde ausgedrückt - unglücklich." Die Verunsicherung der Verbraucher habe die Nachfrage nach Wärmepumpen gebremst. Statt politischer Kehrtwenden brauche es langfristig verlässliche Rahmenbedingungen. "Sie kaufen sich nicht jede Woche eine neue Heizung, sondern Sie wollen das planbar machen."

Standortvorteile für günstige Energiewende nutzen

Eine erfolgreiche Energiewende hänge zudem von den richtigen Standortentscheidungen ab. Friege führte aus: "Wie können wir zum Beispiel Standortvorteile, wie wir sie im Nordwesten haben, für die Reduktion der Kosten des Gesamtsystems nutzen." Hier gehe es etwa um systemdienliche Leistungen in Netzen und wie diese in der Regulierung vergütet werden können.

"Wir müssen uns als Gesellschaft darauf besinnen, dass es günstiger für die Systemkosten ist, den Strom dort zu verbrauchen, wo er erzeugt wird, anstatt für viel Geld immer dickere Kabel zu bauen und den Strom woanders hinzutransportieren." Das gelte insbesondere für die Ansiedlung neuer Industriebetriebe: "Wir können es uns nicht mehr leisten, einfach zu sagen, es ist egal, was das für das Energiesystem kostet." Unternehmen sollten verstärkt dort angesiedelt werden, wo erneuerbare Energie in großen Mengen produziert wird, um den Bedarf an zusätzlicher Netzinfrastruktur zu minimieren.

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