energate News: Erster Wasserstoff fließt ins Kernnetz
Kassel (energate) - Die ersten Pipelineabschnitte des deutschen Kernnetzes werden auf den Transport von Wasserstoff vorbereitet. Weil noch nicht genug grüner Wasserstoff zur Verfügung steht, nutzt der Netzbetreiber Gascade für die Begasung in Ostdeutschland zunächst konventionellen Wasserstoff. "Das vorzubereiten und durchzuführen war eine Riesenherausforderung, denn bei einer so großen Leitung mit einem Durchmesser von 1,40 Metern hat dies noch niemand gemacht", berichtete Dennis Wehmeyer, Leiter für Geschäftsentwicklung und Nachhaltigkeit bei Gascade, im energate-Interview.
Die Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (Opal) von Lubmin im Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns in Richtung Süden durch die Bundesländer Brandenburg und Sachsen wurde ursprünglich zum Abtransport von russischem Erdgas gebaut. In den großen Rohren ist nur noch ein kleiner Teil Erdgas enthalten, den Technikerteams des Netzbetreibers jetzt Abschnitt für Abschnitt, jeder davon gut 17 Kilometer lang, herauspressen. 400 Kilometer will Gascade im laufenden Jahr umwidmen, aufgrund der langen Strecke dürfte die sogenannte Begasung einige Monate in Anspruch nehmen, blickte der Gascade-Leiter voraus.
Heimische Produktion und Importe sollen Rohre befüllen
Der zweite Schritt, der Druckaufbau in den Leitungen, wird dann zumindest technisch einfacher. Hier ist Gacade optimistisch, dass auch grüner Wasserstoff zum Einsatz kommt. Für den Standort Lubmin sind gleich mehrere Elektrolyseprojekte in der Planung, darunter ein 210-MW-Großelektrolyseur des Projektentwicklers PtX Development. Die Standortbedingungen sind dort sehr gut: viel Offshore-Strom, genug Wasser plus die vorhandene Infrastruktur. "Einer der H2-Produzenten hat es einmal als den besten Standort in ganz Europa bezeichnet", berichtete Wehmeyer.
Auf den Bau teurer Verdichter kann Gascade vorerst verzichten, weil der Druck der Elektrolyseure mit 30 oder 40 bar für die anfänglich kleineren H2-Mengen ausreichen dürfte. Um die großen Rohre vollzubekommen, reicht die heimische Wasserstoffproduktion allerdings bei Weitem nicht. Über ein Ammoniakterminal, das grünes Ammoniak aufnimmt und zu Wasserstoff "crackt", sollen auch Importe bei der Befüllung helfen. Pipelineverbindungen in den skandinavischen Raum, etwa der sogenannte "Baltic Sea Hydrogen Collector", sollen zudem Wasserstoffimporte aus Schweden und Finnland nach Deutschland bringen.
Von mehreren Projektverzögerungen sowie der Insolvenz des Projektierers HH2E, der eigentlich Lubmin als Ankerstandort für den Bau eines großen Elektrolyseurs geplant hatte, will sich Gascade nicht entmutigen lassen. "Es hat sich nichts am ursprünglichen Ziel geändert. Der Plan bei der Etablierung eines Wasserstoffmarktes ist es, CO2-Emissionen zu vermeiden", betonte Wehmeyer. Er hofft, dass sich ein Markt mit entsprechender Nachfrage für grüne Produkte entwickelt.
Nowega und Ontras planen ebenfalls Begasungen
Neben Gascade planen im Jahr 2025 noch weitere Fernleitungsnetzbetreiber erste Inbetriebnahmen von Abschnitten des Kernnetzes. 525 Kilometer werden es ungefähr in diesem Jahr sein, dabei handelt es sich zum größten Teil um Umbaumaßnahmen. Den Löwenanteil von etwa 400 Kilometern steuert Gascade bei. Die nächste Befüllung folgt im Projekt "Get H2". Für den 27. März hat der Netzbetreiber Nowega nach Nordhorn im Südwesten Niedersachsens eingeladen. Dort wird das Unternehmen erstmals einen Teil des Wasserstoffnetzes im Nordwesten mit Wasserstoff befüllen. Auch Projektpartner RWE, der in Lingen mit Fördergeldern einen Großelektrolyseur zur Einspeisung von Wasserstoffmengen baut, feiert mit. Nordhorn und Lingen liegen etwa 20 Kilometer voneinander entfernt.
Die Rohre der zwei Leitungsabschnitte mit jeweils etwa 20 Kilometern Länge zwischen Schepsdorf und Nordhorn-Frenswegen sowie Frenswegen und Bad Bentheim sind mit 45 beziehungsweise 40 cm Durchmesser kleiner als die Gascade-Leitungen. Anfang April wird dann laut energate-Informationen der ostdeutsche Netzbetreiber Ontras ebenfalls die Wasserstoffbefüllung aufnehmen.