energate News: Startnetz statt staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft

Berlin/Salzgitter (energate) - Das Bundeswirtschaftsministerium setzt beim Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur nicht mehr auf eine staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft. Stattdessen unterstützt das Haus von Minister Robert Habeck (Grüne) nun das Konzept eines privatwirtschaftlich organisierten Wasserstoffnetzes nach dem Vorschlag der Fernleitungsnetzbetreiber (FNB), erfuhr energate aus Ministeriumskreisen. Nach der langen Hängepartie der vergangenen Monate werten Energiebranche und Industrieunternehmen dies als gutes Signal und richtige Entscheidung. Insbesondere unter den Netzbetreibern hatte die Idee des Bundes, das Wasserstoffnetz unter staatlicher Führung zu errichten, für Unruhe gesorgt.


Überraschend kommt der Kursschwenk allerdings nicht, denn Teil der Nationalen Wasserstoffstrategie war die staatliche Beteiligung in bekannt gewordenen Entwürfen inzwischen nicht mehr (energate berichtete). Zudem sieht eine Änderung am Energiesicherungsgesetz vor, dass sich Unternehmen unter staatlicher Treuhand zwar beim Thema Wasserstoff engagieren können, aber nicht als Teil einer staatlichen Netzgesellschaft, erläuterte der Wasserstoffbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Andreas Rimkus (SPD), im Interview mit energate. "Der Staat solle sich auf das konzentrieren, was er kann, nämlich Verfahren zu beschleunigen und zu entschlacken."
 

Startnetz von 1.700 Kilometern Länge


Für das Bundeswirtschaftsministerium steht jetzt ein schneller und kosteneffizienter Aufbau der H2-Netzinfrastruktur im Fokus. Bereits im Sommer soll ein Entwurf für ein rund 1.700 Kilometer langes Wasserstoffstartnetz fertig sein, in dem auch IPCEI-Projekte aufgehen. Für die Netzentwicklung soll die Bundesnetzagentur gemeinsam mit den FNB verantwortlich sein. Zwischen beiden Parteien zeichnet sich bereits reichlich Diskussionsstoff ab, wie auf dem "Handelsblatt Wasserstoffgipfel" in Salzgitter deutlich wurde. Das erstmals im Jahr 2020 ausgerechnete Startnetz, damals noch auf 1.200 Kilometer beziffert, reicht den Netzbetreibern nicht mehr aus. "Da müssen wir nur auf die Landkarte und unser Pipelinesystem schauen, das ist viel zu klein", sagte Ulrich Benterbusch, Geschäftsführer des Netzbetreibers Gascade. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die FNB Vorschläge machen, in denen nicht alle Bundesländer angebunden sind.

Eva Haupt, Referatsleiterin der Bundesnetzagentur, sagte hingegen: "Da wir noch nicht sicher sein können, dass wir ein ganz großes Wasserstoffnetz brauchen, sollten wir vielleicht kleiner anfangen, um die Kosten zu begrenzen." Haupt erwartet, dass ab 2027 zunächst im westlichen Teil der Republik ein Startnetz aus umgewidmeten Gasleitungen entstehen wird. Diskussionen, dass am Ende jedes Bundesland "etwas abbekommen will", hält sie genauso wie Benterbusch für wahrscheinlich. Dennoch verteidigte sie die kleine Lösung, die später angepasst werden könne. Durch die Gaskrise habe sich die Flussrichtung von Osten nach Westen geändert, sagte die Referatsleiterin. Damit sei schwer abzusehen, welche Gasleitungen in der nächsten Dekade überhaupt umgewidmet werden können. Zudem müssten sich die ganzen Memorandums of Understanding für Wasserstoffprojekte erst noch bewahrheiten.
 

"Einen gewissen Fallout in Kauf nehmen"


Vertreter aus Wissenschaft und Industrie forderten auf der Tagung vor allem eines - mehr Tempo. "Wir zerreden in Deutschland vieles, versuchen, das absolut Richtige zu finden und verpassen dabei den Zeitpunkt", sagte Karen Pittel, Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen. Sie forderte stattdessen in Sachen Wasserstoffmarkthochlauf mehr Pragmatismus: "Und dann muss man auch mal einen gewissen Fallout in Kauf nehmen." Dass nun doch die Privatwirtschaft die Verantwortung für den Aufbau der Leitungsinfrastruktur bekommt, sieht sie positiv. Denn grundsätzlich kämen private Projekte schneller voran.
 

Unternehmen hadern mit Förderung


Unterstützung erhielt die Ifo-Leiterin von Gunnar Groebler, Vorstandsvorsitzender des Stahlkonzerns Salzgitter AG: "Wir versuchen in Deutschland, alles bis in die letzte Unterlegscheibe zu regulieren", haderte er. Diese Kleinteiligkeit sei auch ein Problem, was Fördergelder angeht. Er wünsche sich einen stärker "vorwärtsgedachten Förderansatz", vergleichbar mit dem Inflation Reduction Act in den USA. "Hier habe ich eher das Gefühl, wir versuchen den Unternehmen zu zeigen, dass sie die Förderung gar nicht brauchen", so der Salzgitter-Chef. Dabei stünden eigentlich ausreichend Mittel zu Verfügung, denn EU-weit seien die Fördertöpfe besser ausgestattet als in den USA.

Der Stahlkonzern hat Mitte April eine Förderung für das Salcos-Projekt und seine grüne Transformation erhalten. Für Groebler hat das viel zu lange gedauert, weswegen die Salzgitter AG in Vorleistung gehen musste. "Bei dem steigenden CO2-Preis wird die Stahlproduktion hier bald nicht mehr wirtschaftlich sein, diese Zeit wollten wir nicht verlieren", erklärte er. Er rechne damit, dass sein Unternehmen in dieser Dekade an ein Wasserstoffnetz angebunden ist. Um den immensen Wasserstoffbedarf einer grünen Stahlproduktion zu decken, kann das Unternehmen aber nicht nur auf Deutschland setzen. "Wir schauen weltweit nach möglichst langfristigen Lieferbeziehungen", so Groebler. Ziel sei es explizit, mit verschiedenen Partnern zusammenzuarbeiten, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

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