energate News: Unscharfe Marktregeln bremsen europäischen Wasserstoffhochlauf
Karlsruhe (energate) - Um den Markthochlauf von Wasserstoff zu gewährleisten und eine Klimawirkung zu erzielen, braucht es einen klareren EU-Rechtsrahmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI), das sich darin mit dem Potenzial von Wasserstoff für die Dekarbonisierung der Industrie beschäftigt.Auftraggeber ist der Ausschuss für Industrie und Wissenschaft im EU-Parlament. Anlass ist die EU-Wasserstoffstrategie aus dem Jahr 2020, die unter anderem den Aufbau einer Elektrolyseleistung von 40.000 MW in Europa bis 2030 vorsieht. Aus Sicht der EU-Kommission soll Wasserstoff dabei den Industrie- und Verkehrssektor dekarbonisieren (energate berichtete).
Trotz der ambitionierten Ausbauziele fehle es weiterhin an einem EU-Wasserstoffnetz sowie an Marktregeln, so die Analyse. Diese Lage führe bei möglichen Investoren zu Verunsicherung. Die Autoren empfehlen daher schnell Klarheit zu schaffen und gegebenenfalls auch Anwendungen zu priorisieren. Aus Sicht der Fraunhofer-Wissenschaftler muss die EU zudem ihre Förderprogramme anpassen. Der Grund: Diese seien aktuell zu sehr auf Demonstrationsprojekte ausgerichtet. Die Autoren schlagen vor, das Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa entsprechend weiterzuentwickeln und zu vereinfachen.
Bedarf an Marktregeln
Für den Handel bedarf es aus Sicht der Autoren zudem der Etablierung von Regeln. Es fehlten klare Spezifikationen für die gehandelten Produkte. Ein Beispiel: Es existiert noch keine Definition von "sauberem Wasserstoff". Der EU-Kommission schwebt ein Wert von 70 Prozent weniger CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Wasserstoff vor. Genaueres will sie aber erst im Jahr 2024 in einem Rechtsakt festlegen. Auch das Thema Nachhaltigkeit rückt insbesondere für importierten Wasserstoff in den Blick (energate berichtete).
Die Autoren schlagen verschiedene Möglichkeiten vor, um offene Punkte der EU-Wasserstoffstrategie schnell umzusetzen. Ein Vorschlag: Verbindliche Wasserstoffziele für die einzelnen Mitgliedsstaaten. Zur Finanzierung von Projekten zur Erzeugung von Wasserstoff in industriellem Maßstab schlagen die Autoren den Einsatz von Klimaschutzverträgen vor (Carbon Contracts for Difference), die auch höhere Betriebskosten ausgleichen. Die neue Bundesregierung will diese unter anderem zur Dekarbonisierung von Industrieprozessen anwenden (energate berichtete).
"Fit-for-55"-Paket im Blick
Bezüglich der Marktregeln für Wasserstoff analysieren die Autoren verschiedene Varianten: von der vollständigen Regulierung seitens der EU-Kommission bis hin zu einem größeren Freiraum für die Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission hat dazu aktuell im Rahmen der 2. Gesetzesvorschläge zum "Fitfor55"-Paket Vorschläge gemacht, die die vorhandenen Regeln für den Gasmarkt in Richtung Wasserstoff weiterentwickeln sollen. "Bei den Verhandlungen können die politischen Entscheidungsträger unseren Vergleich der Politikoptionen berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die Europäische Union bei der Dekarbonisierung des Industriesektors auf dem richtigen Weg ist, um ihre Klimaziele in den kommenden Jahren zu erreichen", erklärt Jakob Wachsmuth, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Competence Center Energiepolitik und Energiemärkte am Fraunhofer ISI.