energate-Kurzinterview mit Manon van Beek, CEO des Übertragungsnetzbetreibers Tennet

Was bedeutet der Hochlauf einer grünen Wasserstoffwirtschaft mit dem Aufbau von Elektrolyseuren für die Übertragungsnetze? Können Power-to-Gas-Anlagen das System entlasten oder schaffen sie neue Herausforderungen? Darüber sprach energate mit Manon van Beek, CEO des Übertragungsnetzbetreibers Tennet.


energate: Frau van Beek, für die Gasinfrastrukturbetreiber ist das Thema grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom ein großer Hoffnungsträger. Wie stehen Sie als Übertragungsnetzbetreiber zur Elektrolyse?

van Beek: Auf dem Weg zur Klimaneutralität werden wir nicht an Wasserstoff vorbeikommen. Vornehmlich, um Sektoren zu dekarbonisieren, die sich nicht elektrifizieren lassen. Aber auch, um künftig Gaskraftwerke klimaneutral mit grünem Wasserstoff zu betreiben, in Zeiten, in denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Elektrolyseure können das Stromsystem entlasten, wenn wir diese mit Blick auf das ganze Stromsystem sinnvoll positionieren und betreiben. Wenn nicht, können sie die Herausforderungen im Stromsystem verschärfen. Wenn wir die Elektrolyseure weit entfernt von den Erneuerbaren-Schwerpunkten errichten, werden sie sowohl in den Niederlanden als auch in Deutschland einen hohen zusätzlichen Stromtransportbedarf hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung schaffen. Daher brauchen wir eine integrierte Systemplanung, die alle Energieinfrastrukturen zusammen denkt sowie auch gemeinsame Modelle und Szenarien. Nur so können wir die wachsenden Mengen an erneuerbaren Energien in die Stromnetze und das Energiesystem integrieren und den Hochlauf der grünen Wasserstoffwirtschaft systemverträglich gestalten. Die Strominfrastruktur ist und bleibt dabei das Rückgrat der Energiewende.

energate: Welche Rolle spielt Wasserstoff beim Thema "North Sea Wind Power Hub" in den Niederlanden und in Deutschland?

van Beek: Die Nordsee ist das künftige Powerhouse Europas. Die großen Klimaziele wird man in Deutschland, den Niederlanden - und überhaupt in Europa - nur erreichen können, wenn man den Offshore-Netzausbau konsequent vorantreibt und diesen grenzüberschreitend gestaltet, um die großen Windenergie-Potenziale in der Nordsee möglichst effizient zu heben. Tennet verfolgt die verschiedenen nationalen und europäischen Wasserstoff-Aktivitäten und -Initiativen mit großem Interesse und begrüßt sie - insbesondere vor dem Hintergrund des Klärungsbedarfs der rechtlichen Rahmenbedingungen. Im Hinblick auf die Windenergieverteilkreuze in der Nordsee (North Sea Wind Power Hubs) ist eine Kopplung mit Power-to-Gas/Wasserstoff von Anfang an explizit im Konzept enthalten. Zunächst wird die Wasserstoffaufbereitung küstennah, aber an Land erfolgen. Später wird das auch auf See möglich sein. Um dorthin zu kommen, müssen wir aber, neben dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, auch beim Netzausbau offshore und onshore einen entscheidenden Schritt vorankommen.

energate: Welchen entscheidenden Schritt meinen Sie konkret?

van Beek: Angesichts der neuen, ambitionierten Klimapläne müssen wir das System vom Ende her denken, um keine Zeit zu verlieren. Bei der Netzplanung bedeutet es, dass wir möglichst schnell zu einer Systemplanung für das Jahr 2045 kommen müssen, zu einer Art Zielnetz. Wichtig ist auch, dass wir technologisch am Ball bleiben und künftige Entwicklungen schon jetzt mitdenken. Das bedeutet zum Beispiel, dass alle künftigen Gleichstrom-Verbindungen on- und offshore schon heute so designt werden, dass sie später miteinander vermascht werden können zu einem Gleichstrom-Overlay-Netz. Das ist heute schon ganz einfach machbar, in dem man etwa innovative Konvertersysteme einsetzt und pro Verbindung ein Kabel mehr mitführt, den sogenannten Metallic Return. Das sind notwendige Investitionen, die wir heute tätigen müssen, um zukunftsfest zu sein.

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