energate News: Neuer Koalitionsvertrag: Das steht im Energiekapitel

Berlin (energate) - 45 Tage nach der Bundestagswahl haben sich CDU, CSU und SPD auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag geeinigt. Dieser soll ein Aufbruchssignal senden, sagte der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler, Friedrich Merz (CDU), bei der Vorstellung des 146 Seiten umfassenden Papiers in Berlin. Das Energiekapitel des Vertrags umfasst acht Seiten. Darin bekennen sich Union und SPD eingangs zu den deutschen und europäischen Klimazielen und zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Diese wollen die Koalitionäre in spe durch die Vermeidung von CO2-Emissionen in Deutschland, durch negative Emissionen und durch "glaubwürdige CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern" erreichen. In diesem Punkt hat sich die Union in den Verhandlungen durchgesetzt. Dafür ist von einem "Neustart der Energiewende" im finalen Koalitionsvertrag nichts mehr zu lesen.

Kein Klimabonus, aber gezielte Förderungen

Zentraler Baustein der Klimapolitik soll der CO2-Emissionshandel sein, für den die künftige Bundesregierung weitere Länder außerhalb der EU gewinnen will. Die Sektoren Wärme und Verkehr werden - anders als die Landwirtschaft - in das europäische Emissionshandelssystem integriert. Im Jahr 2026 soll es einen "fließenden Übergang" vom nationalen in den europäischen CO2-Handel geben, der ab 2027 in Kraft tritt. Ziel sei es dabei, Preissprünge für Verbraucher und Unternehmen zu vermeiden, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Einnahmen aus dem CO2-Handel wollen Union und SPD unter anderem durch Förderungen beim Wohnen und der Mobilität zurückgeben. Außerdem wollen die Koalitionäre besonders belastete Haushalte mit Mitteln des europäischen Klimasozialfonds entlasten. Das Wort "Klimabonus" findet sich allerdings nicht im Koalitionsvertrag.

Ziel: Niedrigere Energiekosten

Um den Fortgang der Energiewende besser planen zu können, wollen Union und SPD einen Monitoring-Bericht beauftragen, der bis zum Sommer Handlungsbedarfe beim Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien, bei der Versorgungssicherheit und der Digitalisierung sowie beim Wasserstoffhochlauf skizzieren soll. "Wir stehen für eine konsequente Ausrichtung aller Bereiche auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit", schreiben die Parteien. Außerdem heißt es im Koalitionsvertrag: "Unser Ziel sind dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten." Dazu wollen CDU, CSU und SPD, wie bereits in den ersten Verhandlungswochen vereinbart, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß absenken, die Stromnetzentgelte "dauerhaft deckeln" und die Gasumlage abschaffen. Ferner haben sich die drei Parteien darauf verständigt, für die energieintensive Industrie eine "besondere Entlastung" einzuführen, also einen Industriestrompreis.

Investitionsfonds für den Netzausbau

Um die Kosten des Netzausbaus zu verringern, wollte die CDU den Erdkabelvorrang bei Übertragungsnetzen abschaffen. Hier konnten sich die Christdemokraten nur bedingt durchsetzen. Im Koalitionsvertrag heißt es nun: "Die neu zu planenden Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetze (HGÜ) sollen, wo möglich, als Freileitungen umgesetzt werden." Die Übertragungsnetzbetreiber hatten im Vorfeld die Hoffnung geäußert, dass sich eine derart unklare Formulierung nicht im Koalitionsvertrag wiederfindet. Diese Hoffnung blieb unerfüllt. Dafür heißt es in dem Papier: "Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest." Das wiederum dürfte im Sinne der Netzbetreiber sein. Große Erneuerbarenprojekte und Speicher sollen sich künftig in erster Linie dort ansiedeln, "wo es dem Netz nützt", steht in dem Papier. Zudem kündigen die drei Parteien an, für die Finanzierung des Netzausbaus einen Infrastrukturfonds aufzulegen, der sich aus privatem Kapital speisen soll, den der Bund aber mit öffentlichen Garantien absichert.

Unklare Botschaften zum Erneuerbarenausbau

Zum Ausbau der erneuerbaren Energien hält der Koalitionsvertrag die Optionen offen. Konkrete Aussagen zur Weiterentwicklung der Erneuerbarenförderung finden sich nicht im Papier. Die Rede ist von einem "gesicherten Investitionsrahmen" für Erneuerbare. Zugleich formulieren Union und SPD das Ziel, dass sich Erneuerbare "perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren können". Beim Ausbau der Windenergie wollen sie die Flächenziele der Vorgängerregierung "evaluieren". Auch das Referenzertragsmodell kommt auf den Prüfstand - "unter anderem hinsichtlich unwirtschaftlicher Schwachwind-Standorte". Eine Drosselung des Windenergieausbaus könnte aber auch den Nordländern drohen. So wollen die Parteien den Ausbau der Onshore-Windkraft durch die Ausweisung von Engpassgebieten steuern und an den Netzausbau koppeln. Auch die jüngst entbrannte Debatte um eine mögliche Reduzierung des Ausbauziels der Offshore-Windenergie adressiert der Koalitionsvertrag - wenn auch nur vage: Die künftige Bundesregierung werde sich der "sogenannten Abschattungsproblematik" annehmen.

CCS an Kraftwerken wird möglich

Im Bereich der Kraftwerke haben Union und SPD weitgehend die Vorarbeiten der Arbeitsgruppe Klima und Energie übernommen. So wollen sie bis 2030 im Rahmen einer "zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie" bis zu 20 GW an Gaskraftwerken "anreizen". CCS soll an diesen Kraftwerken möglich sein, hier hat sich die Union durchgesetzt. Die Kraftwerksstrategie wird dann zeitnah in einen "technologieoffenen und marktwirtschaftlichen Kapazitätsmechanismus" münden. Dieser soll systemdienliche Technologien adressieren, wie Bioenergie, KWK, Speicher und Flexibilitäten. Auch an der strittigen Reaktivierung von Reservekraftwerken halten Union und SPD fest. Das lehnt ein Großteil der Energiewirtschaft entschieden ab. Die ebenfalls umstrittene Wiederinbetriebnahme der zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke findet sich hingegen nicht mehr in dem Papier. Es bleibt aber dabei, dass in Deutschland der erste Fusionsreaktor der Welt entstehen soll.

"Neues GEG" ersetzt Heizungsgesetz

Bei der künftigen Wasserstoffversorgung setzen die Koalitionäre in spe auf einen Mix aus inländischer Produktion und Importen. Dazu soll das Wasserstoff-Kernnetz in Regionen ausgebaut werden, die bei der Netzplanung bislang weniger bedacht wurden, vor allem der Süden und der Osten. Gasnetze sollen dort, wo sie für die Wärmeversorgung notwendig sind, erhalten bleiben. Auch wenn die Dekarbonisierung das Ziel ist, wollen die künftigen Regierungspartner die Potenziale heimischer Erdgasvorkommen nutzen, aber nur im Rahmen konventioneller Förderung. Das "Heizungsgesetz" wollen die Koalitionäre in spe abschaffen, so steht es zumindest im Text. Dort heißt es aber weiter: An dessen Stelle soll ein "neues GEG" treten, das technologieoffener, flexibler und einfacher ist. Zentrale Steuerungsgröße der neuen Regelung soll die "erreichbare CO2-Vermeidung" sein. Dieser Abschnitt im Kapitel Bauen und Wohnen des Koalitionsvertrags klingt nach einem klassischen Formelkompromiss.

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energate News: Wasserstoff-Hochlauf braucht mehr als das Kernnetz

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energate News: Wasserstoff-Hochlaufentgelt soll 25 Euro betragen