energate News: Wasserstoffhochlauf - "Mehr Glaskugel als fertiger Plan"

Essen (energate) - Auch wenn der Rechtsrahmen für das Wasserstoff-Kernnetz vorliegt und der Antrag mit dem Vorliegen der behilferechtlichen Genehmigung jetzt gestellt werden kann: Beim Wasserstoffhochlauf haben die Akteure noch immer viele Unsicherheiten zu überwinden. So war der Tenor beim Energiepolitischen Dialog Ruhr des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE) in Essen. "Vor uns liegt noch viel mehr Glaskugel als fertiger Plan", sagte Mona Neubaur (Grüne), Wirtschaftsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen.


Auch wenn die Netzbetreiber die EnWG-Novelle zu den Finanzierungsregeln nicht mit "Konfettikanonen" begrüßt hätten, appellierte Neubaur an die Unternehmen, den Kernnetz-Antrag jetzt schnell einzureichen und in Vorleistung zu gehen. Es brauche auf der Abnehmerseite Entscheidungssicherheit nicht nur für Konzerne wie Thyssenkrupp, sondern gerade für die zahlreichen mittelständischen Unternehmen, die mit Wasserstoff dekarbonisieren wollten.

Warten auf den Förderbescheid

Die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) stünden kurz vor dem Abschluss, sagte Jörg Bergmann, Sprecher der OGE-Geschäftsführung, und betonte, dass mit dem Kernnetz das Henne-Ei-Problem gelöst werden könne. Er räumte ein, dass der Prozess sehr viel mühsamer war als gedacht und zu viel Zeit gekostet habe: "Wir sind heute ein Dreivierteljahr hinter dem Zeitplan." Dass der Antrag noch nicht abgegeben wurde, begründete er damit, dass für einzelne Projekte die beantragte IPCEI-Förderung essenziell sei, und die liege noch nicht überall vor.

Die Zahl der Investitionsentscheidungen im Wasserstoffmarkt sei vergleichsweise gering, so Marc Oliver Bettzüge, Geschäftsführer des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (Ewi). "Es gibt mehr Pläne als realisierte Projekte." Was daran liegt, dass Investoren der Business Case fehle. Die Bedingungen seien auf jedem Punkt der Wertschöpfungskette, von der Produktion über den Transport bis hin zur Anwendung, "nur in sehr eingeschränktem Maße" gegeben.

"Die Nachfrage ist nicht da", konstatierte Sopna Sury, Chief Operating Officer Hydrogen der RWE Generation SE. Sie will mit ihrem Unternehmen Wasserstoff erzeugen und an Industriekunden verkaufen. Doch die zögerten noch. Auch wenn erste Förderbescheide bereits vorlägen, würde noch mit viel Unsicherheit auf die Preisentwicklung der kommenden Jahre geblickt. Auch RWE gehe hier in die Vorleistung, weil der Förderbescheid der im Februar zugesagten IPCEI-Förderung für einen geplanten Elektrolyseur noch ausstehe.

Neubaur signalisierte, dass in NRW die Energieagentur Energy for Climate eine koordinierende Aufgabe bei den Förderbescheiden übernehmen könnte, damit "wir das auf die Schreibtische bringen, an denen das entschieden wird."

"Wann geht uns die Puste aus?"

Klimaneutralität sei kein Altruismus, sondern knallharte Industrie- und Standortpolitik, so Neubaur weiter. Daher bedauere sie auch, dass den staatstragenden Parteien in Europa und der Bundesrepublik die Kraft fehle, hier einen Investitionsrahmen zu schaffen, der mit den Bedingungen in den USA oder China Schritt halten kann. "Wer es schafft, als Erster die Infrastruktur liegen zu haben, der schafft es auch, das zu entwickeln, wodurch NRW sich immer schon im internationalen Wettbewerb behaupten konnte: nicht die günstigsten zu sein, aber mit Qualität und innovativen Produkten im Export stark zu sein."

In Europa werde ein Level-Playing-Field mit gleichen Bedingungen für alle gefordert, ergänzte Bergmann. "Aber wir haben zwischen den Kontinenten kein Level-Playing-Field." Daher drohe der Wasserstoff am Ende nicht nach Europa, sondern nach Asien zu gehen. Auf der anderen Seite gebe es bei der Förderung auf eine Frage noch keine Antwort, so Yvonne Ruf, Senior Partner bei Roland Berger. Nämlich, wie lange man einen Markt mit Subventionen anschieben kann: "Wann geht uns die Puste aus?"

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